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Techno bzw. Clubkultur im Museum? Warum nicht? In Frankfurt zu sehen war das Thema schon 2013 im Museum für Moderne Kunst in der wunderbaren Rineke-Dijkstra-Ausstellung „The Krazy House“. Gezeigt wurden dort die Videoarbeiten mit jungen Clubgänger*innen während des laufenden Clubbetriebs. 2014 folgte im Museum Angewandte Kunst die Robert-Johnson-Ausstellung „Give love back“, die ich allerdings öde fand und ansonsten zeigt der Kunstpalast in Düsseldorf ganz aktuell mit Electro. Von Kraftwerk bis Techno die Ausstellung, die nach Angaben von Electronic-Germany-Autor Christian Arndt ursprünglich zur Eröffnung des MOMEM geplant war und nach Angaben der Sendung Kultur aktuell auf SWR2 in abgewandelter Form bereits in Paris als „Electro : De Kraftwerk à Daft Punk“ und in London als „The Second Summer Of Love“ zu sehen war.

Anlässlich der Eröffnung des MOMEM gab es im Vorfeld sowie am Tag selbst viele Stimmen, auch etwas dämliche, zu vernehmen: 7 Jahre haben die gebraucht! 7!!! Und dann dieser Rave an der Hauptwache, während in der Ukraine Menschen sterben! Ist Corona in Frankfurt vorbei? Und was will dieser Väth mit seinen 56 Jahren noch da?

Ja, 7 Jahre hat’s gedauert, von der Ankündigung bis zur Eröffnung, als würde in Frankfurt sonst alles von heute auf morgen auf die Beine gestellt werden. In der FAZ wurde in diesem Zusammenhang sogar der Flughafenbau in Berlin ins Spiel gebracht. Wenn man Äpfel mit Birnen vergleichen will, braucht man eigentlich gar nicht in die Ferne zu schweifen, siehe Rennbahn/DFB, siehe Günthersburghöfe, siehe Riederwaldtunnel … 7 Jahre fürs MOMEM? Nur? Die müssen doch sonstwas genommen haben, so schnell wie die fertig geworden sind! Und ja, Krieg ist scheiße und die Ukraine nicht der einzige Schauplatz in diesen Jahren, also bitte alle erst wieder feiern, wenn Weltfrieden herrscht und wir alle über den Globus verteilt eine gemeinsame Love Parade feiern, vielleicht sogar noch mit Sven Väth, der im Alter von 100 Jahren noch bessere Sets abliefern würde als die Generation Laptop-DJs. Und so viele Menschen, bei diesen Coronazahlen? Ja, das fand ich auch irgendwie schwierig, allerdings bin auch schon damals, als die Gastronomie nach dem Lockdown wieder öffnen durfte nicht sofort in eine Kneipe oder Bar gerannt und habe stolz wie Bolle ein Foto mit Cocktails oder frisch gezapften Bieren auf Instagram gepostet – endlich wieder Gastro, wir sind wieder wer!!! Aber ich freu mich für jede Person, die das so unbeschwert machen kann, weil das offensichtlich bedeutet, dass weder in Familie und Verwandtschaft noch bei Bekannten und Freund*innen ernsthafte Probleme mit Corona gegeben haben muss. Gänsehaut bekommen habe ich bei einigen der Videoclips, die an jenem Abend auf Instagram zu sehen waren trotzdem.

Es geht aber auch etwas differenzierter und kritischer. Hier ein paar Links zu einigen Artikeln, in denen sowohl das MOMEN selbst als auch die damit verbundene Kommunikation der Stadt Frankfurt am Main thematisiert wird.

Ich weiß nicht, wer sich für den gebürtigen Mannheimer Shantel heutzutage noch interessiert, aber falls doch: Im Gespräch mit Alexander Jürgs in der FAZ vom 3.2.22 befürchtet Stefan Hantel, so sein bürgerliche Name, bezüglich des MOMEM einen eingeengten Blick auf die elektronische Musik, will eine „konservative und eurozentristische Sichtweise“ erkennen und hält „Clubkultur jetzt in ein Museum zu transportieren […] für einen schlechten Witz“. Der Artikel mit der Überschrift „Techno ist nicht mehr relevant“ (!) befindet sich hinter einer Paywall, aber aktuell könnte man das Onlineangebot der FAZ, die rund um die MOMEM-Eröffnung aktuell schon 6 Beiträge (Artikel und Kommentare) veröffentlich hat, für 30 Tage kostenlos testen.

Die Bazooka ausgepackt wurde auf Non, das Blog von Force-Inc-Macher Achim Szepanski. Für den Artikel Stimmen aus der Gruft – MOMEM, deutsch mich nicht voll! vom 1.4.22 wird als Autor*in Lain Iwakura angegeben – der Name eines weiblichen Characters im Anime Serial Experiments Lain.

„ In guter deutscher Tradition, werden die Widersprüche, aus der Geschichte Frankfurts verdrängt, unter den Teppich gekehrt und vergessen: Vergessen sind die gewaltsamen Räumungen von Hausbesetzungen für alternative Szenen oder von illegalen Raves. Vergessen ist das Aushungern der Off-Szene zugunsten von etablierten KünstlerInnen, das Macht- und Finanzgefälle. Vergessen, dass mit Mille Plateaux & Force Inc. zwei große Labels aus der Ecke Frankfurts existier(t)en, sich explizit dem Kommunismus verschrieben und zur Aufhebung von Staat & Kapital verschworen haben. Vergessen ist die Nachttanzdemo, die über zwei Jahrzehnte in Frankfurt stattgefunden hat und von Party- oder Kunstkollektiven, so wie linksradikalen Gruppen getragen wurde, bis sie spätestens 2008 unter dem Einwirken der Staatsgewalt ausweichen und andere Strategien entwickeln musste. Vergessen ist …“

In der taz vom 2.4.22 befasst sich Klaus Walther (gemeint ist offenbar Klaus Walter, der bekannte Radiomoderator, DJ, Journalist und Autor) im Beitrag Techno und Rauchzustände mit den Chancen und Gefahren für das MOMEM.

„Ein Player bei Logic war Alex Azary, der jetzt das MOMEM leitet und daraus einen „sozialen Raum“ machen will: Workshops, Kommunikation, Filme etc. Könnte klappen, wenn Azary und seine Leute auf (lokal)patriotische Scheuklappen verzichten und eine andere Perspektive auf ihren Gegenstand finden als: Weiße Männer machen Geschichte. Noch vor ein paar Jahren hatte Azary bei einer Veranstaltung der Reihe „Text & Beat“ mit der Aussage irritiert, dass Techno eine deutsche Erfindung sei und Frankfurt die Kapitale.“

 

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Ein Beitrag geteilt von Electric Dust (@electric_dust)

Ich hatte im Vorfeld der Eröffnung auch einen Artikel zum MOMEM geschrieben und dabei festgestellt, dass die Summe der Informationen (MOMEM-Website, MOMEM-Instagram-Posts und -Stories sowie Artikel in Web und Beiträge im Fernsehen über die Eröffnung) nicht immer für Klarheit sorgten. Museumseröffnung jetzt am 6.4. oder 7.4.? Am 6.4. nur Party? Karten kann man online nur ab dem 7.4. erwerben. Und warum geht es eigentlich ständig nur um die Sven-Väth-Ausstellung, das ist doch ein Museum, das muss demnach doch eine Einrichtung mit einer eigenen Sammlung sein, da wird doch außer der aktuellen Ausstellung wohl noch etwas anderes präsentiert werden? Party um 19 Uhr? Wie, jetzt schon ab 15 Uhr? Lineup außer Sven Väth wirklich nur mit Dudes, und vor allem, wer sind die? Ich dachte im Kulturbereich wäre man bei diesem Thema weiter. Wo kommt denn jetzt plötzlich Franziska Berns her, die stand vorher doch noch gar nicht im Line-up? Väth fängt jetzt erst um 20 Uhr an? Uff. Ach sieh an, Female Pressure haben sich zu Wort gemeldet.

Timetable der MOMEM Opening Party ohne Franziska Berns

Screenshot MOMEM (Instagram), Line-up ursprünglich ohne Frau

female:pressure haben am 6.4.22 in An Open Letter about MOMEM einiges auszusetzen, und das nicht zu unrecht. Wenigstens das Line-up für den Hauptwache-Rave hätte man wirklich souveräner gestalten können, und das ausgerechnet in Frankfurt, und das ausgerechnet von Leuten, die schon Anfang der 1990er-Jahre technohousemäßig am Start waren. Im Tennissport würde man das als unforced error bezeichnen. Dass, so ein weiterer Vorwurf, aktuell „die eingebundenen Akteure in erster Linie weiß sind“, sehe ich zum jetzigen Zeitpunkt (noch) nicht als Problem. Jemand hatte eine Idee und hat sie mit (s)einer Clique umgesetzt. Wenn es jedoch um weitere Ausstellungen und Events geht, dann würde ich definitiv erwarten, dass man sich mit entsprechenden Szenen, Personen, Gruppierungen connected, alles andere würde jedenfalls keinen Sinn machen für eine Einrichtung, die sich als Museum präsentiert. Was und wie die Stadt kommuniziert hat? Nun ja, anders wäre schön gewesen, keine Frage, aber das Thema Kultur (Kommunikation, Web, SocMed) performt in Frankfurt meiner Meinung generell noch ziemlich unter seinen Möglichkeiten.

„Weiterhin schreiben Sie, der Magistrat der Stadt Frankfurt als Einladende, auf der Einladungskarte: „Mitten in Frankfurt, wo Techno seinen Ursprung hat.“ Mit dieser Feststellung befinden Sie sich außerhalb aller akademischen Untersuchungen und Einschätzungen zu den Ursprüngen der Techno-Kultur, die ihre Vielstimmigkeit aus den diversen Kulturen der Queerness und BPoC hat und im Besonderen in den urbanen Zentren der USA entstanden ist …“

Alles in allem auf inhaltlicher Basis ein wichtiges Statement, ich will gar nicht wissen, wieviele Partypeople einst den Weg in diese Technohouse-Szene nur über Bumm Bumm Bumm, Drogen und hui, leicht bekleidete Frauen auf den Tanzflächen gefunden haben und sonst weiter nichts dazu wissen. Die hessenschau hat die Tage sogar davon gesprochen, dass die elektronische Musik in Frankfurt weiterlebt und das allen Ernstes mit diesem World-Club-Dome-Stadion-Gedöns begründet! Aber so ist das eben heutzutage, der 8. März ist einfach nur ein Tag, an dem man Frauen Blumen schenkt und der CSD war schon immer einfach nur ein großes buntes Fest.

 

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Ein Beitrag geteilt von FARSEEN.DJ (@melogressive)

Jens Balzer hat sich in der Zeit vom 6.4.22 mit dem Artikel Handkäs mit Beat ebenfalls mit Frankfurt-OB Peter Feldmann und dem Geburtsort von Techno befasst – und offenbar auch Spaß daran gehabt.

„Viele Menschen dachten bislang, dass Techno in den Achtzigerjahren in den USA entstand: in den verödenden Innenstadtvierteln schrumpfender Industriestädte, insbesondere in Detroit. […] Underground Resistance, so hieß ein prägendes Label und DJ-Projekt aus dieser Zeit. Dessen Mitglieder verstanden ihre Musik als Soundtrack für den antirassistischen Kampf; und sie verstanden die Clubs, in denen sie spielten, als safe spaces für marginalisierte Menschen jeglicher Art. Techno, dachten wir bisher, war immer eine Musik der Minderheiten und der Emanzipation. Stimmt aber alles gar nicht! Das jedenfalls hat der Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, Peter Feldmann, herausgefunden …“

In Frankfurt immer sehr populär: Wenn die New York Times etwas zu Frankfurt schreibt. Ich erinnere mich hier an eine Liste mit Top-Reisezielen, die Frankfurt auf Platz 12 führte. Und wenn das in der NYT steht, ist das natürlich richtig und wichtig. If you make it in (the) New York (Times), you’ll make it anywhere. Geschrieben wurde dieser Beitrag damals von einer in Berlin lebenden Autorin und so ist es auch diesmal: Der in Berlin lebende Thomas Rogers hat für die NYT vom 6.4.22 den Artikel With New Museum, Officials Give Techno the Stamp of Approval geschrieben. Lesen kann man diesen allerdings erst nach einer kostenlosen E-Mail-Only-Registrierung.

„FRANKFURT — These days, this German city is known as a staid financial capital and home to the European Central Bank. But in the 1980s, it held another, more underground distinction, as a hub for Europe’s budding techno scene. Although the electronic music genre’s origins are largely in Detroit, Frankfurt’s clubs were among the first to bring the sound to Europeans.“

Ich besuche bestimmt die Ausstellung zu Sven Väth und bin eigentlich guter Dinge, 6000 (!) Menschen beim Opening Event zeugen jedenfalls davon, dass Techno sehr wohl noch relevant ist. Ata Macias hat es in dem hr-info-Beitrag Techno revisited: Das MOMEM in Frankfurt öffnet ganz gut formuliert:

„Das Repertoire elektronischer Musik ist riesig. Jetzt ist es daran, dass die Betreiber das spannend machen und nicht nur eine Seite sehen, sondern den ganzen Fächer aufmachen – und der ist groß. Also man kann da schon sehr, sehr viel machen.“

 

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Ein Beitrag geteilt von Bley2Bley (@bley_brothers)

• MOMEM im Internet: WebsiteInstagramFacebook

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