Abgesehen von stark frequentierten Straßen wie z. B. der Berger Straße, Leipziger Straße, Schweizer Straße oder der Zeil wird in Artikeln zu Frankfurt oftmals nicht der konkrete Straßenname, sondern der Name des Stadtteils in den Fließtext eingearbeitet, mindestens jedoch prominenter in Szene gesetzt.
Ein Beispiel dafür kommt aktuell aus der Startup-Szene mit Fokus auf Finanzdienstleistungen. Hier wurde vor wenigen Wochen im Sandweg eine Immobilie bezogen, die sowohl im Video der Deutsche Börse Group auf YouTube, als auch in einem Artikel auf der Gründerszene-Website „im Stadtteil Bornheim“ verortet wird. Und auch beim Deutschlandfunk übernimmt man offenbar einfach irgendwelche Mitteilungen ungeprüft und berichtet vom FinTechHub „im Frankfurter Stadtteil Bornheim“. Richtiger wird das deswegen immer noch nicht, auch nicht wenn das Gebäude bewusst falsch mit Bornheim in Szene gesetzt werden sollte, weil es da ja so viel toller ist.
Zugegeben, der Sandweg macht es einem nicht ganz leicht, verläuft doch gerade entlang dieser Straße die Grenze zweier Stadtteile, da kann man schon mal den Überblick verlieren. Nur, die beiden Stadtteile um die es hier geht, sind das Nordend-Ost auf Seite der ungeraden Hausnummern und das Ostend auf Seite der geraden Hausnummern. Wie man da Bornheim herbeizaubern kann, bleibt rätselhaft. Die Hessenschau war immerhin etwas näher dran, sie berichtet von einem „Hinterhof im Frankfurter Nordend“, ebenso wie das Genussmagazin vom Journal Frankfurt, welches einst über das Segway-Café „das gerade erst im Nordend eröffnet“ berichtete und fälschlicherweise ebenfalls diese Seite des Sandwegs ins Nordend verlegte.
Auch lustig die FAZ: Im Januar dieses Jahres berichtet sie vom Bürgergespräch der AfD „im Frankfurter Stadtteil Gallus“. Der Stadtteil Gallus liegt nicht wirklich weit davon entfernt, wo sich der Lieblingsstorylieferat der FAZ unter zahlreichem Protest zusammengefunden hatte, aber tatsächlich liegt der Saalbau Gutleut, denn dort hatte sich das Geschehen zusammengetragen im Gutleutviertel. Verrückt.
Zwei Monate zuvor, im November vergangenen Jahres, kam die Vice mit einem Artikel ums Eck, der die sogenannte Ausländerkriminalität in Frankfurt beleuchtete und in diesem Zusammenhang u. a. von „Stadtteile wie der Ben-Gurion-Ring“ spricht. So wie auch Goldstein und die Nordweststadt keine Stadtteile sind, sondern Siedlungen, handelt es sich beim Ben-Gurion-Ring um eine Ringstraße und diese verläuft durch die Stadtteile Nieder-Eschbach und Bonames.
Was verbindet die Luminale und das japanische Filmfestival Nippon Connection? Naxoshalle und Künstlerhaus Mousonturm dienen als Festivalzentrum. Die Macher*innen der Nippon Connection lassen es sich nicht nehmen, als Ortstangabe „60316 Frankfurt-Bornheim“ anzugeben, so wie auch die Schirn Kunsthalle, die anlässlich der Luminale von Zeiten der Naxoshalle erzählt, „bevor Bornheim zum beliebten Wohnviertel geworden ist“. Beides ist natürlich Blödsinn, denn die Waldschmidtsraße und sogar die Wingertstraße, auf Rückseite des Naxos- Geländes liegt nicht in Bornheim, sondern im Ostend.
Last but not least: Buzzfeed. Die peinlich bemühte Pfiffigkeit der Listicles mal außen vor gelassen: „Der Turm in Ginnheim“ liegt nicht in Ginnheim, sondern in Bockenheim. And if you don’t know, now you know.
Sie, liebes Stadtkindffm, vermessen doch auch die Pizza mit dem Zollstock, nicht wahr?
(wir schätzen es sehr, diese Genauigkeit. Eben weil immer so vieles ungeprüft übernommen und verbreitet wird. Ordnung muss sein.)
Jein, es ging eigentlich mehr um die Darstellung der Größenunterschiede, da ich nicht alle drei Pizzen zeitgleich vorliegen hatte, sonst hätte ein Foto mit alle drei Pizzen drauf auch ihren Dienst getan. Nur „ist größer/kleiner“- Formulierungen erschienen mir nicht aussagekräftig genug.
Super Beitrag!
Wo sieht man eigentlich die aktuellen Grenzen der Stadtteile?
Auf der Website der Stadt Frankfurt am Main gibt es ein Straßenverzeichnis. Dort sind alle Straßen, Wege und Plätze mit ihrer Zuordnung zu den wichtigsten Verwaltungsbezirken und Einrichtungen erfasst. (Ortsbezirke, Postleitzahlbezirke, Stadtteile, Sozialrathäuser etc.). Außerdem gibt’s noch den Stadtplan „City Guide – Digital Mapping System“.
Wired der Beitrag.
Weird der Kommentar.
Auch immer gern genommen: Waldstadion in Niederrad oder die Galopprennbahn. In Wahrheit beides Teil von Sachsenhausen-Süd.
Das vermeintliche Verorten von Straßen des Nordends oder Ostends nach Bornheim hat eine Jahrzehnte lange Tradition bei den pseudointellektuellen Rotweinnasen der schreibenden Zunft, die sich dort eine Mischung aus Boheme und Werktätigen-Toskana hinprojeziert hat.
Das wird Jahre dauern, dies wieder aus den Köpfen zu bekommen.
„eine Mischung aus Boheme und Werktätigen-Toskana“ – Herrlich! :-D