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„Ich halte die Straße keineswegs für ein ganz besonders geeignetes Mittel, seine Meinung bekannt zu machen. Wenn einem aber nichts anderes übrig bleibt, dann bin ich allerdings der Ansicht, dass es außerordentlich demokratisch ist, wenn es Leute gibt, die die einzige Öffentlichkeit, nämlich die der Straße, benutzen und davon öffentlich Gebrauch machen.“ (Ulrike Meinhof, 1967)

Frankfurt. Schon wieder. Was ist da eigentlich los? Haben die nicht erst was mit Tanzen verboten, so wie letztes Jahr schon? Und jetzt haben die auch die Blockupy-Tage verboten? Und das bisher doch so friedliche Occupycamp soll für diese Zeit den angestammten Platz vor der EZB räumen? Und Aufenthaltsverbote für bestimmte Personen in der Frankfurter Innenstadt wurden ebenfalls ausgesprochen? Gar nicht mal so wenige Verbote für eine nach eigenen Angaben sonst so tolerante Metropole und einstige Wiege der deutschen Demokratie.

Doch der Reihe nach: Was genau ist und will das Blockupy-Bündnis und warum findet das eigentlich schon wieder alles in Frankfurt statt? Diese Fragen stellen sich derzeit wieder, weil aktuell das Anliegen zu den Blockupy-Aktionstagen meines Erachten doch sehr stark in den Hintergrund geraten ist, da es längst nur noch um das von der Stadt Frankfurt verhängte Verbot geht, welches gestern, nach Widerspruch von den Linken beim Verwaltungsgericht Frankfurt, in weiten Teilen bestätigt wurde. Deswegen an dieser Stelle zunächst ein erklärendes Mobivideo zu den Blockupytagen in Frankfurt. 

Am Anfang war Blockupy einfach nur ein über mehrer Tage angelegter Protest, der über Plakate tragen und Fähnchen schwenken hinaus gehen sollte, doch was mittlerweile daraus gemacht wurde, angefangen bei der pauschalen Kriminalisierung der Blockupy-Proteste und dem Schüren eines Klimas der Angst, ist schon ziemlich delikat und könnte mit dem katastrophalen Management seitens der Stadt Frankfurt auch dazu führen, daß all das dann auch tatsächlich eintritt, was befürchtet und deswegen verboten wurde. Das erinnert mich ein wenig an eine Passage aus Paul Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“, wo er beschreibt, daß alles was man tut, um etwas zu vermeiden genau dazu führt, daß genau das eintritt. Oder für die bevorstehenden Tage in Frankfurt formuliert: Meine Damen, meine Herren, sollte es noch jemand nötig gehabt haben, für diese Veranstaltung eingeheizt zu werden, der dürfte nun schon heiß laufen…

Ich weiß nicht, ob man bei der Stadt Frankfurt mehr weiß, als man den Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mitteilen möchte, aber all diese Aktionen schießen mir persönlich doch viel zu sehr über das Ziel hinaus: Gewerbtreibenden auf Zeil ist bereits letzte Woche ein Schreiben von der Polizei Frankfurt zugegangen, welches auf gewaltbereite Personen innerhalb eines bunten Teilnehmerspektrums aufmerksam macht und zudem darauf hinweist, auf öffentlichem Grund keine beweglichen Gegenstände zurückzulassen,die VGF hat gestern in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, daß die Ticketscenter an der Konstabler- und Hauptwache am Freitag und Samstag geschlossen bleiben und auch sonst mit Einschränkungen einiger Linien zu rechnen ist, wie z.B. daß die Stationen Willy Brandt-Platz und Taunusanlage an diesen Tagen gesperrt sind und dort keine S- oder U-Bahnen halten werden, die Müllabfuhr fährt am Samstag ebenfalls nicht raus, das Freßgassfest wird verschoben und das Servicecenter der Stadt Frankfurt bleibt ebnfalls geschlossen- hier aber wegen technischer und organisatorischer Gründe am Freitag. Ist klar.

Nun, gestern Abend kam die Meldung, daß lediglich der Rave gegen die Troika am Mittwochabend und die internationale Großdemo am Samstag stattfinden dürfen- letztere aber auch nur, wenn es am Donnerstag und Freitag zu keinerlei Aktionismus seitens der Blockupy-Aktivitisten kommt. Hat irgendwie was von „Nur wenn Du lieb bist und Dein Tellerchen komplett aufisst, darfst Du später auch eine Stunde länger fernsehen“. Ergebnis: Trotzreaktionen. „Jetzt erst recht!“, „Protest lässt sich nicht verbieten!“ und „So nicht!“ Als würden alle nach Frankfurt kommen und nichts anderes im Sinn haben, als Macht kaputt was  Euch kaputt macht-mäßig die Stadt in Schutt und Asche zu legen. Ein Wunder, daß die Stadt Frankfurt bezüglich der Dauer-„Eskalationen“ der Eintracht Frankfurt-Fans nicht seinen Bürgerinnen und Bürger verboten hat, die Spiele besuchen zu gehen. Krawallmacher wird es immer und überall geben und Verbote, so lässt sich nicht erst seit gestern feststellen, bewirken oftmals nicht wirklich was. Zumindest nicht in die gewünschte Richtung. Und das Occupycamp hat schon mal verlauten lassen, daß es nicht wie gefordert bis Mittwoch-Morgens (freiwillig) das Camp räumen wird. Und irgendwie habe ich ja das Gefühl, daß es nicht der einzige Widerstand sein wird.

 

Alles, was nun möglicherweise in Sachen Eskalation passiert, hat Ordnungsdezernent Frank zu verantworten. So viel Einsatz und Entschlossenheit seitens der Politik wünschte man sich gerne gegen all die Krisenverursacher und nicht gegen die Menschen die sich zusammenschließen, um dagegen zu demonstrieren. Verrückte Welt.

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Stadtbilder Frankfurt – Oktober 2024

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Neue Namen, alte Gebäude, Lichter und Nebel – das war der Oktober in Frankfurt.
Frühnebel

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Frankfurts Osten im Nebel, so gesehen am vergangenen Sonntagmorgen, 20. Oktober 2024.
„Zum Golde drängt, am Golde hängt doch alles“

„Zum Golde drängt, am Golde hängt doch alles“

Erinnert sich noch jemand an die goldfarben lackierten Fahrräder in Frankfurt? An einem solchen klärt nun ein laminierter Zettel über die Aktion auf, in der auch Goethe eine Rolle spielt.

5 Comments

  • kotz sagt:

    Da wird Personen der Aufenthalt in der Frankfurter Innenstadt verboten, weil sie bei einer anderen Demo in einem Polizeikessel gelandet sind – zum Teil sind noch nicht mal die Ermittlungsverfahren begonnen worden.
    Das jeweils das eintritt, was man (angeblich) vermeiden will, wird in der Strategie von Polizei und Ordnungsdezernat kein Zufall, sondern der Wunsch sein.
    Der einzige Trost beim Schauspiel des Aussetzens der demokratischen Grundprinzipien ist, dass die Krise wohl ernster ist, als es die Politik gemeinhin glauben machen will. Vor Massenprotesten hat man anscheinend Angst, zumal der Aufruf zum zivilen Ungehorsam mittlerweile auch von weiten Teilen der Parteienlandschaft und Gewerkschaften getragen wird, angesichts der sich immer mehr verschärfenden sozialen Spannungen. Angst hat die Stadt doch nicht wegen ein paar eingeworfener Glasscheiben – sondern weil sich europaweit und darüber hinaus derzeit Protestbewegungen ergeben, die durchaus in der Lage sind, das System zu stören.
    In Deutschland geht man aber immer noch davon aus, dass Meinungskundgabe auf der Straße genehmigungspflichtig ist…

  • Matthias sagt:

    Ist natürlich alles richtig, das Pauschalverbot dürfte zwar noch in letzter Instanz kassiert werden, aber die Strategie der selbsterfüllenden Prophezeiung wird womöglich aufgehen. Trotzdem bin ich immer noch sehr zornig, dass bei M31 ungepanzerte Verbindungspolizisten und eher weniger systemrelevante Brautmodengeschäfte angegriffen wurden. Erinnert mich dann doch zu sehr an die Reichskristallnacht. Davon abgesehen würde es die internationale Hochfinanz sicher mehr treffen, wenn man am Wochenende die Golfplätze im Taunus okkupiert.

  • zims sagt:

    Hmmm. Die Pogrome vom November 1938 mit der M31-Demo in Verbindung zu bringen, fiel bisher ja nicht mal dem Ordnungsdezernenten ein, oder? Würde zwar in die aktuelle Wortwahl passen, ist aber sachlich natürlich gar nicht haltbar. Wie kommst du denn darauf?

    • Matthias sagt:

      Danke für den Einwurf, und ich gebe zu: Das „Hmmm.“ ist sehr berechtigt, mein Vergleich war blöd. Mir wird halt mulmig, wenn einfach auf irgendwelche Lädchen eingedroschen wird und man Leute einschüchtert, die einem nichts getan haben. Daher die Assoziation, aus dem persönlichen Unverständnis, wie man diese Hemmschwelle überschreiten kann. Das betrifft natürlich nur einige wenige, schon deshalb ist der Vergleich falsch.

  • prrG08 sagt:

    Mit den Aufenthaltsverboten ist die Polizei vor Gericht gründlich gescheitert http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?rubrik=74262&key=standard_document_44761926), aber es war ja wohl eh eher Öffentlichkeitsarbeit, die damit betrieben wurde: Die Polizei versucht alles, um die Gewalttäter fernzuhalten, aber die laschigen Gerichten lassen die Polizei halt nicht ihre Arbeit machen – dass diese Arbeit mitnichten der Schutz von Bürgerrechten ist, sondern eine Aushöhlung von Grundrechten wird im allgemeinen Trubel gern übersehen…

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